Mit Jahresbeginn übergab Emil Büchel die Agenden der Vorarlberger Höhlenforscher an seinen Nachfolger Ronald Sottopietra.
In den Vorarlberger Gebirgszügen und Felsen befinden sich Hunderte kleine und große Höhlen, die kaum jemandem bekannt sind. Grund dafür ist oftmals, dass die kleinen Reiche gut verborgen sind. Wer aber einmal eine Eingangspforte in das Innere der Berge gefunden hat, muss neben einer guten Ausrüstung auch eine gehörige Portion Schwindelfreiheit und Vertrauen in das Gestein mitbringen. Ein großer Teil jener Mutigen, die sich durch enge Gänge wagen und sich am Seil ins Dunkel hinablassen, sind die Expertinnen des Karst- und höhlenkundlichen Ausschusses des Vorarlberger Landesmuseumsvereins. Seit der Gründung 1956 sind sie an der vordersten Front mit dabei, wenn es darum geht, neue Höhlen zu erkunden und zu vermessen. Einer von ihnen ist Emil Büchel, der mit Jahresbeginn sein Amt als Obmann der Höhlenforscherinnen an seinen Nachfolger Ronald Sottopietra übergeben hat.
Emil Büchel war bereits der vierte Obmann in der Geschichte des Ausschusses, erster Obmann war Walter Krieg: Den Grazer Geomorphologen verschlug es der Liebe wegen nach Bregenz. Schon als Student interessierte er sich für Höhlen und war in dieser Zeit als Höhlenführer in der Semriacher Lurgrotte tätig. In Vorarlberg suchte er nach entsprechenden Kontakten; Höhlenforschung steckte hier noch in den Kinderschuhen. Das Wenige in Sachen Höhlenforschung war aufgrund des Schwerpunkts auf Archäologie bereits im Bereich des Landesmuseums angesiedelt, weshalb sich Krieg dazu entschied, künftig im Rahmen des VLMV zu agieren. Er gründete den Karst- und höhlenkundlichen Ausschuss. Das erklärt auch, wieso die Höhlenforscherinnen, anders als in anderen österreichischen Bundesländern, keinen eigenständigen Verein haben. Krieg konnte während seiner Amtszeit sein großes Netzwerk nutzen, was dazu führte, dass die Höhlenforscherinnen zahlreiche internationale Exkursionen unternehmen konnten und viele Publikationen veröffentlicht wurden.
Nach Kriegs überraschendem Tod im Jahr 2000 war der Weiterbestand des Ausschusses gefährdet. Klaus Novak übernahm für kürzere Zeit interimistisch die Agenden, bevor die Obmannschaft bald darauf bis zum Jahr 2006/07 an Hermann Schönbauer übergeben wurde. „Er war auch jene Person, die mich 1975 mit der Vorarlberger Höhlenforschung bekannt machte“, schildert Büchel seinen Weg in den Verein und in die Obmannschaft.nmal mitgegangen.“ Im Inneren des Berges entdeckte Büchel dann seine neue Leidenschaft. Im selben Jahr trat er dem Ausschuss bei und absolvierte bereits 1978 seine Höhlenführerprüfung. „Die Höhlenforscherei ist in mehrfacher Hinsicht faszinierend“, schwärmt der ehemalige Obmann. „Zuerst einmal tun sich da Welten auf, die man sonst nicht kennt – Höhlen so groß wie Hallen, unterirdische Seen oder ansehnliche Tropfsteine. Weiter kann man diese Dinge gemeinsam mit Menschen entdecken, die ebenso für die Sache brennen.“ Diese werden praktisch zu engen Wegbegleitern, da die Anstrengungen oft groß sind und das Vertrauen zueinander in der Höhle entsprechend vorhanden sein muss. „Das Größte der Gefühle ist aber, wenn eine größere Höhle neu entdeckt wird“, schildert der Höhlenenthusiast. „Man betritt quasi einen Ort, den zuvor noch niemand betreten hat. Das ist schon beeindruckend.“
Doch (fast) jedem Sieg geht dabei ein kleiner Kampf voraus. Denn Höhen- und Platzangst sollte man bei dieser Tätigkeit nicht haben. Auch die Dunkelheit wird hier anders aufgenommen, ist die einzige Lichtquelle doch die Lampe am Helm. Gesehen wird nur so weit, wie der Lichtstrahl reicht. „Das macht dafür das Abseilen ein bisschen einfacher, da man nicht weiß bzw. nicht sieht, wie tief es hinuntergehen wird“, sagt Büchel und lacht. Nur die Beklommenheit in Engstellen im Fels gilt es ab und an zu überwinden. Oft geht es nämlich nur im Liegen weiter, mit geringem oder keinem Abstand mehr zum Gestein. „Da kann es schon vorkommen, dass einem kurz einmal mulmig wird. Dann sollte man für eine kurze Dauer einfach nur ruhig liegen bleiben, bis alles überwunden ist“, so Büchel.
Wird eine Höhle einmal entdeckt, gehen die Forscherinnen behutsam vor. Sie arbeiten sich langsam vor, die Höhlen werden, so gut es geht, baldmöglichst vermessen. „Wenn es einmal hinuntergeht, müssen wir beginnen, uns abzuseilen“, so Emil Büchel. „Die Verankerung für die Seile müssen wir logischerweise selbst bohren.“ Aber auch das ist dank moderner Technik und Techniken heute wesentlich einfacher als früher. Die Bohrmaschine ersetzt die Handarbeit und die Einseiltechnik die vielen Leitern, die früher für den Auf- und Abstieg aneinandergebunden wurden.
Mit Stand von Ende 2019 sind im Kataster des Ausschusses 912 Höhlen und Halbhöhlen verzeichnet. Davon befinden sich 827 in Vorarlberg, 55 in Bayern (Gottesackergebiet) und 30 in Graubünden. Die Höhlen des Kleinen Walsertals sind in dieser Auflistung nicht enthalten, da diese vom Münchner Höhlenverein bearbeitet werden. 806 dieser Höhlen sind sehr klein und kürzer als 50 m. „127 davon sind aber noch nicht besucht oder erforscht worden“, so Büchel. 88 Höhlen sind zwischen 50 und 499 m lang und 18 über 500 m. „Die längste Höhle ist das Weißplatten- Höhlensystem, dieses ist 512 m tief und 4206 m lang“, zeigt sich der Obmann stolz. Bei solchen Höhlen dauere es dann aber oft viele Jahre, bis sie einmal weitestgehend erforscht seien. Für längere Aufenthalte brauche es dann auch schon einmal ein Biwak in der Höhle.
Doch nicht nur im Dunkeln lagen die größten Tätigkeitsfelder des Höhlenforschers, insbesondere nach seinem Antritt als Obmann. So war Büchel immer bestrebt, als Karst- und Höhlenausschuss beim Mutterverein, dem VLMV, zu bleiben. „Es gab davor schon Bestrebungen, einen eigenständigen Verein zu etablieren“, erzählt Büchel. „Meiner Ansicht nach war es aber immer das Beste, hier gemeinsame Sache zu machen.“ Neben der Forschungstätigkeit in Vorarlberg wurden auch verschiedene Exkursionen in ganz Österreich organisiert. „Für internationale Unternehmungen fehlten mir leider die Kontakte“, schildert der Höhlenforscher. Für die Forschung im Lande wurden durch die Mitgliedschaft von Alexander Klampfer, der aus Niederösterreich dazustieß, wesentliche Impulse gesetzt und besonders im Rätikon attraktive, aber auch schwierige Höhlen erforscht. Nicht vergessen werden sollte aber auch Gerhard Feuerstein aus Bizau. Er hat einiges zum heutigen Kenntnisstand über größere Höhlen im Bregenzerwald beigetragen.
Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld von Büchel war und bleibt auch nach der Abgabe der Obmannschaft weiterhin die jährliche Publikation „Neuigkeiten aus Karst und Höhlen“. Diese wurde bereits im Jahre 1986, damals in einfacherer Form, von Walter Krieg initiiert und besteht bis heute. Weiters führt Büchel das Amt des Katasterwarts aus. Im sogenannten Höhlenkataster werden alle Dokumentationen zu den Höhlen im Arbeitsgebiet des Ausschusses gesammelt und archiviert. „Ich bleibe dem Verein natürlich erhalten und stehe auch für Rückfragen jederzeit zur Verfügung“, so Emil Büchel. „Höhlenforschermäßig mache ich zudem weiter, solange es geht. Mir ist es wichtig, dass es einen geregelten Übergang gibt.“ Dieser scheint nun auch gelungen zu sein, Ronald Sottopietra wurde zu Jahresbeginn in seiner neuen Funktion von den Ausschussmitgliedern bestätigt. „Emil hat mich bereits zwei Mal vorgestellt, zuerst beim Landesmuseumsverein und dann nochmals bei den österreichischen Höhlenforschern“, so der neue Obmann, Ronald Sottopietra, der 2005 beim Verein aktiv wurde. Sein Interesse an Höhlen liegt aber viel weiter zurück.
Schon als Kind ist er gerne in Höhlen gegangen, dieses Interesse wurde durch seinen Vater und seinen Großvater geweckt. In den 1990er Jahren war er aber mit seinem Studium der Sozialarbeit und mit seinen Kindern gut eingebunden. Nichtsdestotrotz suchte der heutige Obmann schon damals den Kontakt zu Walter Krieg. 1998 absolvierte er dann die Schluchtenführerausbildung, die Höhlenausbildung folgte fast zeitgleich. Die neuen Kenntnisse und Fertigkeiten konnte er dann auch gleich mit seiner Arbeit verbinden: „Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen.“ Hier sei es wichtig, andere Formen der Kommunikation zu finden, um eine Beziehung aufzubauen. Deshalb suchte der Sozialarbeiter nach Alternativen und fand in der Erlebnispädagogik eine für ihn ideale Methode. „Mit den Jugendlichen kann ich so sehr gut arbeiten, beim gemeinsamen Begehen einer Höhle oder einer Schlucht ist die Vertrauensfrage im Nu geklärt“, sagt Sottopietra. „Zudem sind Höhlen und Schluchten Plätze, die unbelastet von problematischen Lebenssituationen und beruflichen Themen sind. Man betritt gemeinsam einen völlig anderen Raumkontext.“ Somit habe eine Höhlenbefahrung auch etwas Meditatives, das auch stark mit Überwindung von Denkbarrieren zusammenhänge. „Der Begriff ‚nicht möglich‘ hat sich verändert, auch die Wahrnehmung der Natur ist eine völlig andere, wenn man sieht, dass sich Gestein mit seiner Kraft im Lauf der Zeit zu Räumen verändern kann“, schließt Sottopietra.
„Jetzt befinde ich mich quasi in der Einschulungsphase“, sagt er. „Ich bin richtig froh, dass mich Emil auch weiter unterstützt.“ Weiter denke Sottopietra in seinem 67. Lebensjahr über den beruflichen Ruhestand nach, weshalb dann umso mehr Zeit in den Ausschuss und die Höhlenforscherei investiert werden könne. Und auch der Ausschuss stehe gut da, sind doch vor Kurzem gerade wieder zwei junge Mitglieder hinzugestoßen. Für den Fachausschuss ist für die Fortführung seiner Tätigkeiten somit alles auf Schiene.*