Barockzeit auf dem Land – mehr als eine Meistererzählung
Man schreibt das Jahr 2005. Der Papst stirbt, die Vogelgrippe grassiert. Ein Jahrhundert-Hochwasser sucht den Bregenzerwald heim, gleichzeitig scheitert ebendort ein spektakuläres Museumsprojekt. Ein häufiges Schicksal nicht realisierter Projektideen: die ambitionierten Konzepte landen in Schubladen, in Archivschachteln und werden vergessen – oder verdrängt. Dabei hätte es erstmals und ernsthaft eine umfassende Darstellung der Bregenzerwälder Barockbaugeschichte werden sollen, also ein eigentlich überfälliges Projekt für die Region, auch für das Land. Und trotzdem, das damalige Scheitern hatte Folgen, in einem respektablen zeitlichen Abstand allerdings erst. Nahezu 15 Jahre später haben sich gleich zwei Gemeinden vorgenommen, die Thematik neuerlich aufzugreifen und diese ungemein erfolgreiche und folgenreiche Ära der Regionalgeschichte endlich dauerhaft zu präsentieren.
Seltsamerweise haben anfänglich beide Gemeinden dasselbe Vorhaben unabhängig (und unwissend) voneinander aus der Schublade des Scheiterns geholt. Inzwischen haben sich beide Initiativen verständigt, abgestimmt, und dabei ihre jeweiligen Stärken gefunden. In Au streben Projekt-Proponenten wie Rainer Muxel, Bernadette Rüscher und Walter Lingg mit dem Verein akKURAT und der Handwerkszunft eine dauerhafte Präsentation der Barockbaumeister-Thematik an. Die kleine Schau im denkmalgeschützten Kurathuus soll nicht nur ein Ort des Erinnerns (das kommunale Gedächtnis) werden, sie soll auch eine produktive Dynamik entwickeln. Das Kurathuus soll eine sinnstiftende Brücke schlagen zwi¬schen dem historischen Erbe einerseits und den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft andererseits. In Bezau hat das Museumsteam mit Tone Bär, Christian Meusburger und dem Regionalforscher Peter Fink ähnlich wie die Akteure in Au den Mut gefasst, dem Thema Bregenzerwälder Barockbaumeister endlich eine dauerhafte Präsentation – in Folge auch Wechselausstellungen zu Aspekten der Thematik – zu widmen. In Bezau existiert im Unterschied zu Au bereits ein Heimatmuseum mit personeller Ausstattung. Hier soll das denkmalgeschützte Objekt einen Zubau erhalten. Während das Kurathuus in Au einen ungewöhnlichen Nutzungsmix (Museum – Krankenpflegeverein – Sozialwohnung) erfahren soll, wird in Bezau ein architektonisches Spannungsfeld zwischen Alt und Neu den Museumsstandort neu definieren.
Handlungsbedürftig ist der Weg des zweigleisigen Vorhabens im Hinblick auf die Beforschung der Gesamtthematik. Die historiografischen „Meistererzählungen“ – mit Fokus auf Erfolgsbiografien und architektonische Leistungen – sind nicht wirklich eine angemessene Erzählbasis. Vielmehr sollten die sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Region im Zentrum stehen. Dafür allerdings fehlen bislang entsprechende Grundlagen, ein umfassendes Forschungsprojekt ist jedenfalls in Planung. Einfacher ist ein weiteres gemeinsames Anliegen von Au und Bezau einzulösen. Es wird sinnvoll sein, sich starke und kompetente Kooperationspartner zu sichern: in der regionalen Museumslandschaft, im Bregenzerwald Archiv, im vorarlberg museum und auch an den Standorten der Bauwerke. Die AkteurInnen jedenfalls sind auf einem guten Weg, denn zu allen genannten und weiteren PartnerInnen gibt es seit geraumer Zeit teils intensive Gespräche und einen produktiven Austausch.
Beide Projektinitiativen sind mit einem gemeinsamen Vorhaben befasst, das sich auf den ersten Blick als Verdoppelung darstellt. Genauer betrachtet ermöglicht diese Parallele zahlreiche Potenziale. Beide Standorte können ihre eigenen Themen lokalisieren, akzentuieren und profilieren, beide Standorte kön¬nen ihre jeweils ortsspezifischen Charakteristika und baulichen Alleinstellungs¬merkmale uneingeschränkt geltend machen. Eine klug abgestimmte Herangehensweise – und diese scheint mittels zweier abgesprochener Vorkonzepte gewährleistet – kann beide Standorte stärken, indem sie sich aufeinander beziehen, wechsel¬seitig ergänzen und miteinander agieren, vor allem im Rahmen von Kooperationsprojekten.
Au wird sich inhaltlich auf die historisch gesteigerten Qualitäten einer fundierten Lehr¬lingsausbildung fokussieren und dabei die „Auer Lehrgänge“ ins Zentrum stellen. Damit kann Au den Mikrokosmos eines in der Region gewachsenen und bis heute erfolgreichen Bildungsmodells dokumentieren. Gleichzeitig kann das Innenleben der Auer Zunft und ihrer Lehrgänge als eine Art Gründergeschichte erzählerisch ausgeformt werden. Bezau kann die Bregenzerwälder Barockbaugeschichte mit anderen geografischen und thematischen Ak-zentuierungen beleuchten. Vor allem hat Bezau die Möglichkeit, angedockt an ein bestehendes Museum, die Geschichte der Barockbaumeister und Handwerkszünfte entlang der allgemeinen Regionalgeschichte zu erzählen, Stichworte: Landammänner, Arbeitsmigration, Sozialwesen u. a. Beide Orte werden nur über begrenzte Ausstellungsflächen für die Barockgeschichte verfügen können – eine große Schau würde beide Orte sowohl finanziell als auch betrieblich überfor¬dern. Allein schon diesem Umstand ist geschuldet, dass es beide „Standbeine“ braucht. Und keiner ist verzichtbar.
Allein die Bereitschaft der beiden Gemeinden, viel Geld in die Hand zu nehmen, und dazu der Mut zahlreicher AkteureInnen, diese Herausforderung anzunehmen (man bedenke die Geschichte eines langjährigen Scheiterns), verdient Anerkennung in Form entschiedener finanzieller und ideeller Unterstützung. Beide Standorte bleiben mit ihrem Vorhaben auf dem Boden des Möglichen und Unverzichtbaren, bleiben in ihrem Anspruchsdenken bescheiden. Umso anspruchsvoller hingegen sind sie im Hinblick auf Qualitätsmaßstäbe und inhaltliche Bodenhaftung. Nicht Pracht und Prunk der weltberühmten Barockbauten stehen im Fokus. Diesbezüglich mögen überregionale und grenzüberschreitend angelegte Kooperationsprojekte sinnvoll sein. Au und Bezau jedoch besinnen sich primär ihrer jeweiligen Kernaufgaben, die sich entlang der regionalen Kultur-, Sozial-, Wirtschafts- und Handwerksgeschichte bewegen. Beide Standorte gemeinsam wollen erstmals diesen signifikanten Abschnitt der Bregenzerwälder Regionalgeschichte dauerhaft dokumentieren. Eine für die Region charakteristische Kompetenz „vom Wissen der Hände“ kann entlang der Thematik Barockbaumeister umfassend, differenziert und beeindruckend dar-gestellt werden; von Generation zu Generation, von Jahrhundert zu Jahrhundert, bis in die Gegenwart, und wohl auch in die Zukunft.
Bessere Perspektiven kann man sich wohl kaum wünschen; für die beiden Gemeinden, für die Region, für das Land, und nicht zuletzt für die Thematik selbst.
Heimatmuseum Bezau
Ellenbogen 181, 6870 Bezau
Juli bis September
Dienstag, Donnerstag und Freitag 14.00 bis 16.00 Uhr
Führungen außerhalb der Öffnungszeiten möglich, Voranmeldung bei Anton Bär unter +43 677 62318655